Einmal im Leben eines jeden Traminer Madl kommt irgendwann der Tag, da sie die Aufnahmeprüfung bestehen muss. Nur dann, darf sie sich als echte Traminerin bezeichnen. Heute steht diese „zache“ Prüfung für Anna an. Tausend Höhenmeter, aufgeteilt auf 5 km, in teilweise extremer Steigung, sind zu bewältigen.
Vom „Gummerer“ starten wir. Natürlich allesamt mit den groben Bergschuhen. Wer ein echter Traminer werden will, rennt nicht mit Turnschuhen in die Berge.
Anna ist voll motiviert. Vor allem auf die „Weißen Riesen“ freut sie sich. Schaut sie doch jeden Tag von ihrem Balkon hinauf auf die weißen Steinlahnen unter dem Göller.
Der Fußbereich der Weißen Riesen ist erreicht. Die erste Hürde auf dem Weg zur Traminerin sind die steinigen kleinen Serpentinen, die wir nun steil empor marschieren. Es geht von den Füßen der Riesen über den Torax und den Rumpf bis zur Nase hinauf. Die „Nos“ ist die Schlüsselstelle, eine kurze Drahtseilpassage, die ich als Kind so geliebt habe. Anna kommt diesbezüglich nach mir. Auch sie möchte gleich wie ich, mitten in der Passage drin stehen bleiben und auf den tief unter uns liegenden Kalterer See schauen. Doch die mächtige Chefin mit der ich verheiratet bin legt ihr bindendes Veto ein. Da können wir beide nix machen, trotz Mehrzahl.
Erstes Drittel die Lungenfrisch
Die „Nos“ umklettert, geht es jetzt über die Stirn eines Weißen Riesen bis hinauf auf den Kopf; wir Traminer nennen dieses erste Drittel-Etappenziel, auf den Weg zur Tscherba, Lungenfrisch.
Torax, Kopf und Stirn habe ich erfunden, aber „Weiße Riesen“, „Nos“, „Lungenfrisch“ und „Tscherba“ sind geografische Ortsbezeichnungen, die im Traminer Dialekt gebräuchlich sind. Ok die „Nos“ kennt vielleicht nicht jeder Traminer. Dieses Wort wird vor allem von den Höflern verwendet, aber dass die Tscherba die Überetscher Hütte ist, das weiß nun wirklich jeder echte Einheimische.



Bis zur Göllerwiese ist er nicht mehr weit. Das Traminer Madl schlägt sich tapfer. Aber es spürt einen Stein im Schuh. Schuh runter – da ist kein Stein. Oha, dafür kündigt sich eine Blase an der Achillesferse an. Und im anderen Schuh ist auch ein „Stein“, ein gleicher. Wird das das Ende der Prüfung sein? Durchgefallen?
Der Tati hat ein Pflaster mit. Leider nur eines. Ich teile es mit dem Schweizer Messer in Längsrichtung. Zwei Pflasterhälften, das muss reichen. Anna will weiter. Blasenbildung hätte ich mir nicht erwartet. Ist es nicht das erste Mal, dass Anna ihre Bergschuhe trägt. Doch anscheinend sitzen die Füße wegen des steilen Aufstiegs etwas anders im Schuh als normalerweise und vielleicht waren die Schuhe auch etwas zu wenig festgebunden. Mia Culpa!
Glücklicherweise geht es nun rund um den Göller bis zum Taurisjöchl nicht mehr so steil bergan.
Ich warte eigentlich jede Minute auf den für Kinder so typischen Satz „I pocks nimmer!“ Er kommt nicht.
Nur ein anderer: „I hon Hunger!“
Wir vertrösten die Kleine, dass es nun nicht mehr weit sei. So ganz falsch ist das nicht, denn vom Taurisjöchl geht es nur wenige Höhenmeter hinauf und dann – wenn auch teilweise etwas ausgesetzt – recht flach zur Scharfegger Hütte und ab derselben, entlang eines Drahtseils, bis zum Wasserfall hinüber. Der Steig ist recht schmal und somit das Wandern mit einer Vierjährigen an der Hand sehr unfein. Anna alleine gehen lassen geht natürlich auf keinen Fall. Die mächtige Chefin mit der ich verheiratet bin nimmt den Rucksack. So ist der Gänsemarsch mit einer Vierjährigen an der Hand etwas einfacher.
Wasserrauschen dringt uns entgegen. Aha, da vorne muss der Wasserfall sein. So ist es. Mir kommt das Bild vom Nen vor dem Wasserfall in den Sinn, das im Schlafzimmer meiner Mama steht. Anna will auch ein Foto machen. Wir wechseln uns beim Fotografieren ab, so entstehen drei Fotos mit unterschiedlichen Paaren.
Der deftige letzte Aufstieg steht bevor. Doch wiederum höre ich nicht einmal „I pocks nimmer.“ nur „Hunger, Hunger“. Dieses Mal wird Anna nicht vertröstet, dieses Mal darf sie in Gedanken und Worten die Speisekarte durchgehen. Reden hilft.
„Schau Fohnen!“ Wir stehen vor der „Tscherba“. Anna ist überglücklich.
Angekommen, der Aufstieg zur Überetscher Hütte ist geschafft
Ich: „Isch do frei?“
Eine der beiden Frauen: „Jo hoi Anni!“ Die Antwort bekomme nicht ich.
Eine Arbeitskollegin der besten Ehefrau von allen. Das Gesprächsthema ist somit bestimmt. Schulanfang. Für Lehrerinnen natürlich jedes Jahr ein markanter Jahreseinschnitt.
Polenta mit Wurst und Pfifferlinge, Spiegelei mit Speck, Kaiserschmarren… auf der Überetscher Hütte gibt es schnelle deftige Gerichte. Wanderer- und Bergsteigermahlzeiten eben.



Unter uns Tramin mit unserem Haus. Das Tal des Höllentalbaches führt zuerst in gefurchten und dann in geraden Linien genau da hinunter. Das Traminer Freischwimmbad leuchtet blau herauf. Da wollen wir heute auch noch hin.
Der Kellner erkennt mich wieder. Kein Wunder, war ich erst vor 5 Tagen hier, damals des Nachts und alleine. Da war ich nicht zu übersehen.

Neben der Terrasse bietet die Liege- und Spielwiese einen ebenen Platz zum Entspannen und Unterhalten. Das ist gut so, denn ebener Platz ist hier unter den Felswänden des Roen Mangelware.
Wir haben Glück mit dem Wetter. Tramins höchste Hütte funkelt in der Sonne. Super!
Gegessen, getrunken.
„Jetzt an Schwotlr im Schwimmbod?“
„Jo, jo!“
Problem, wir müssen die Tausend Höhenmeter wieder runter.
Von der Überetscher Hütte hinunter nach Tramin
Boa, sehr sehr unfein das nebeneinander und hintereinander Abwärtsgehen, wenn man eine Vierjährige auf einem Einmannsteig an der Hand führen muss. Aufwärts war es feiner.
Der Wasserfall, dann die lange Drahtseilpassage. Ich spüre einen Tropfen. Anna auch.
Anna: „I hon an Tropfen gspürt!“
Ich: „Na isch lei a Schwitztropfn fa mir!“
10 min kann ich Anna so überlisten. Es reicht bis zur Jägerhütte und zugleich dem Ende der Drahtseilpassage. Da beginnt es zu nieseln. Das Traminer Madl wird nervös. Tausend Höhenmeter das machen ihr gar nichts, aber Donnergrollen jagt ihr eine Höllen Angst an. Es donnert zwar noch nicht, aber bereits Regentropfen machen sie extrem nervös.
Am Taurisjöchl biegen wir rechts ab, den Taurisweg hinunter. Der ist zwar wenig aussichtsreich, aber etwas kürzer und vor allem weniger gefährlich als der Göllerweg.
Anna spürt wieder einen Stein. Dieses Mal vorne am kleinen Zeh. Im Schuh ist wieder nix drin. Wir können uns denken was das bedeutet. Da wir kein Pflaster mehr übrig ist, schauen wir unter der Socke nicht nach. Später unten im Schwimmbad wird Anna, beim Schwimmen ständig einen Fuß in die Luft halten, sodass er nicht das Wasser berührt. Offene Blasen brennen im Wasser.
Meine Bremsmuskulatur fängt auch an zu brennen. Ich würde tatsächlich lieber nochmals hinauf wandern, als ungeschickt immer am Rand des Steiges – Anna muss ja auch Platz haben und auf ihre Blasenfüße will ich ihr nicht steigen – runter laufen zu müssen. Der Regen geht und kommt. Unten in Tramin scheint die Sonne. Die Tropfen sind nur einer einzigen dunklen Wolke, die genau über uns steht, geschuldet. Zumindest zieht keine Gewitterfront auf und glücklicherweise donnert es nicht.

Der Untergrund wird steiniger. Aja, wird sind nun auf der Höhe der Weißen Riesen sein. Die schwarze Wetterwolke über uns, verzieht sich. Die Sonne kommt hervor.
Rechts ein Bachbett. Das muss der Höllentalbach sein. So ist es. Der Taurisweg mündet im Traminer Höhenweg, wo wir gerade mal vor 2 Wochen entlang gewandert sind. Es ist heiß, sehr heiß. Wir freuen uns aufs Schwimmbad.

Die letzten paar hundert Meter hinunter zum Gummererhof sind schnell geschafft und so kommt ein vierjähriges Madl, das vor fünf Stunden am Gummerer Hof noch als Tramin-Anwärterin gestartet ist, als waschechte Traminerin an. Aufnahmeprüfung geschafft, bravo Anna!
Dieser besondere Tag, der Tag an dem sie zur echten Traminern geworden ist, wird ihr sicherlich ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Er wird sie begleiten bis hoffentlich ins hohe Alter und er wird sie mit Stolz erfüllen. Vielleicht auch mit etwas Traminer Heimatgefühl und vielleicht wird er sie auch an die besten Mami und Tati von allen erinnern…
GPS-Track über den Göllerweg zur Überetscher Hütte und zurück über den Taurisweg
Akt. Position: -km, -m
↓ download GPX
Eckdaten der Tour
Die Aufnahmeprüfung
- Dauer: 5:35 h
- Distanz: 10,3 km
- Bergauf: 1.142 m
- Bergab: 1.134 m
Um welche Art von Tour handelt es sich?
In welcher Region befindet sich die Tour?
Um welche Bergkategorie handelt es sich? Auf welcher Höhe liegt die Tour?
Wie lang ist die Strecke?
Wie streng ist der Aufstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie anspruchsvoll ist der Abstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie viel Zeit werde ich für die Tour brauchen?
Dieser Wert kann individuell stark variieren. Siehe Gehzeitrechner.
Wie viele Kalorien werden bei der Tour verbrannt?
Es ist zu beachten, dass die Berechnung des Kalorienverbrauchs auf Faustformeln und allerlei Annahmen beruht, z.B. Gewicht=75 kg, Kalorienverbrauchsvorgaben für Aufstieg, Abstieg, flach usw. und daher nur eine Schätzung und keine exakte Angabe liefert. Wenn du deinen Kalorienverbrauch selbst berechnen möchtest, dann schau dir diesen Kalorienrechner an.
Gibt es interessante Wegpunkte?
Ja, es gibt interessante Wegpunkte. Hier ist eine Liste:
- Gummererhof (Restaurant)2GPS: 46.355824, 11.228499Gummererhof (Restaurant) Tramin an der Weinstraße - Termeno sulla Strada del Vino, Bolzano - Bozen, ITA
- Scharfeggerhütte1GPS: 46.363614, 11.205668Scharfeggerhütte
- Trinkwasser3GPS: 46.367369, 11.210196Trinkwasser
- Trinkwasser4GPS: 46.367669, 11.220152Trinkwasser
- Überetscher Hütte - Rifugio Oltradige (1775)1GPS: 46.364129, 11.197107Überetscher Hütte - Rifugio Oltradige (1775)
Fotos Tramin und Überetscher Hütte
Nächtlicher Bergtour zur Überetscher Hütte vom vorigen Dienstag: