Castelfeder, eigentlich kein ideales Wanderziel für die allerheißesten Sommertage, doch heute in der Früh hat es ein klein wenig abgekühlt und so wagen wir es.
Eine großzügige Parkmöglichkeit finden wir in Auer in der Erholungszone Schwarzenbach. Geparkt und schon geht es über die Fußgängerbrücke des Schwarzenbaches, dann vor der Tennishalle rechts abbiegend, in den Wandersteig Nr. 5 hinein. Wir passieren die Tennisplätze hinterrücks, queren die Staatsstraße SS12 mittels einer Unterführung und stehen nun am Eingang des Naturschutzgebietes Castelfeder. Den können wir nicht übersehen. Eine Tafel mit der Aufschrift Schutzgebiet, allerhand Ver- und Gebote, ein Gatter mit einer zweiten Tafel „Betreten auf eigene Gefahr; freilaufende Weidetiere; Gatter bitte schließen“ kündigen unmissverständlich an, wir betreten nun ein ganz besonderes Stück Landschaft.
Naturschutzgebiet Castelfeder
Einige Stufen, eine Brücke und wir sind oben neben der Dolomitenstaatsstraße. Hier bietet ein kleiner Schotterparkplatz einen weiteren Zugang zu dieser besonderen Wanderung.
Wir halten uns rechts, folgen dem Wegweiser Castelfeder Nr. 5. Bei einem nächsten Pfahl mit Wegweisern lassen wir uns von der Nr. 5A, die zusätzlich ein Embleme Blauburgunderweg aufweist, nicht verleiten, wir bleiben der Nr. 5, ohne A, treu und schreiten rechts über die Nordflanke des Hügels hinauf.
Die Vegetation wird karger, der Porphyruntergrund sichtbar. Wir kommen zu einem Panoramapunkt, der den Blick hinüber zur St. Daniel am Kiechelberg Kapelle und weiter zur Katzenleiter, nebst der der Schwarzenbach schäumend in die Tiefe stürzt, hinunter auf Auer und entlang der Etsch hinauf bis nach Bozen frei gibt. Toll!
Weiter führt uns nun der 5er Steig schnell in beweidbares Gelände. Der Boden ist plötzlich mit Ziegenmistkügelchen übersät und schlagartig dominiert eine Baumart, die Eiche, das Landschaftsbild.
Ein Schild mit folgendem Inhalt unterstreicht die Wichtigkeit der Eichen auf Castelfeder:
Einzelstehende uralte Eichen sind die Charakterbäume Castelfeders. Während die Flaumeiche (Quercus pubescens) im dichten Buschwald klein bleibt, kann sie als Solitärbaum kapitale Ausmaße und ein Alter von 1.000 Jahren erreichen.
Die Flaumeiche ist in der Jahrtausende alten, nachhaltigen Kreislaufwirtschaft Castelfeders als Kulturbaum mit vielfältigem Nutzen integriert: Als Tiefwurzler holt sie ausgewaschene Nährstoffe wieder herauf und stellt sie über das verrottende Laub der Vegetation zur Verfügung, sie liefert Laubstreu für den Stall und somit Dünger für die Kulturen, sie spendet Schatten für die Herden, sie verlangsamt durch Windbremsung die Austrocknung der Weide, sie liefert durch das periodische Schneiteln der Äste Brennholz und Laubfutter in Dürreperioden. Die Gerbstoff reiche Rinde wurde zum Gerben von Leder genutzt. Mit den Eicheln wurden Schweine gemästet und Ersatzkaffee geröstet.
Während die meisten dieser Nutzfunktionen inzwischen an Bedeutung verloren haben, hat Castelfeder heute einen neuen unschätzbaren Wert als Refugium gefährdeter Tiere und Pflanzen im intensiv genutzten und besiedelten Etschtal. In den morschen Eichenstämmen nähren sich zahlreiche Insektenlarven, finden Spechte, Eulen, Singvögel, Siebenschläfer, Eichhörnchen, Marder und Fledermäuse Unterschlupf und geschützte „Kinderstuben“. Und wo vor 2.000 Jahren rätische Hirten lagerten, erholen sich heute stadtmüde Menschen unter den Schatten spendenden Flaumeichen.
Apropos Schatten spenden, das wäre nun nötig, die Sonne brennt deftig auf uns nieder. Unter einer Solitäreiche stehen bleiben wollen wir jedoch nicht, darum auf geht’s mitten durch die Mittagshitze. Eine kurze mit Natursteinen gepflasterte Passage führt uns eine Ebene höher. Wieder eine Informationstafel. Dieses Mal über das Gestein auf dem wir stehen:
Der Mitterberg zwischen Überetsch und Etschtal sowie die Felsflanken des Bozner Talkessels sind aus vulkanischem Porphyr aufgebaut. Vor rund 270 Millionen Jahren öffnete sich die Erde, gewaltige Glut- und Ascheregen begruben das Land und verfestigten sich in der Folge zum Porphyrgestein.
180 Grad gedreht, auf die Felsflanken des Bozner Talkessels geschaut, rotbräunliches Gestein entdeckt, die Tafel sagt die Wahrheit.
Wieder gewinnen wir einige wenige Höhenmeter und wieder treffen wir auf Besonderes. Dieses Mal ist es der Blick gen Süden, auf die ersten Ruinenstücke, der einstmals mächtigen Ringmauer. Kurz darauf kommen wir zu einem komplett ausgehölten, augenscheinlich abgestorbenen, Eichenstamm. Ich erinnere mich, dass genau dieser Baum vor 4 Jahren noch gelebt hat. Zumindest hatte er damals noch einen einzelnen Daumen dicken Ast mit grünen Blättern. Heute können wir leider kein einziges Eichenblatt entdecken. Auch Tausendjährige sterben. Aber es ist schon fast ein kleines Wunder, dass dieses Ereignis genau mit unserem vergleichsweisen minikurzen Leben zusammenfällt.
Der Wurmsee
Obwohl Castelfeder sich großteils wie eine trockene griechische Arkadien Landschaft präsentiert stehen wir plötzlich vor einem Feuchtgebiet mit einem Tümpel. Wieder ein Schild:
„Wurmsee, Langsee, Schwarzsee, Frauensee“ werden die Moore genannt, die sich in Mulden, die vom Ton des Eiszeitgletschers abgedichtet wurden, in den vergangenen 12.000 Jahren gebildet haben. Neben Libellen, Lurchen, Wasserschnecken, Schwimmkäfern und Insektenlarven leben darin auch Egel, im Volksmund „Wurm“ genannt. Einen wenig appetitlichen Nebenerwerb betrieb hier im 19. Jh. ein Montaner, der allgemein „dr Wurmer“ -genannt wurde. Er patschte „bleckstizet“ im Morast herum, bis sich an seinen nackten Waden genügend Blutegel festgesaugt hatten, die er dann Gewinn bringend an Apotheken verkaufte. Blutegel wurden früher von Ärzten zum Schröpfen eingesetzt – dem Absaugen von angeblich krankem oder überschüssigem Blut.
Castelfeder, Ringmauer, Barbara-Ruine, Kuchelen, Fruchtbarkeitsrutsche
Nun steigen wir die letzte Ebene zum höchsten Punkt der Hügelkuppe auf. Ups – da haben wir scheinbar kurz vor dem Wurmsee eine Abzweigung nach rechts verpasst und sind nun über die östliche, anstatt über die nördliche Hügelflanke aufgestiegen. Das ist schade, denn von Norden kommend, läuft man entlang der Reste der byzantinischen Ringmauer und der eines Angestellten Gebäudes entlang. Ich zwinge Anna und die beste Ehefrau von allen auf diesen Weg zurück. Nur mit Murren und mit meiner Beteuerung, dass wir maximal 100 m verlängern, willigen sie ein. Kulturbanausen!
Flach, die wenigen Meter zurück gelatscht, geht es nun entlang der Ringmauer in Richtung Barbarakapelle. Anna obgleich des Umweges fast schon ein wenig missmutig, vergisst bei einigen Mauerfenstern schnell, dass sie beleidigt sein wollte und lacht schon wieder.
So schaffe ich es mit zwei gut gelaunten Frauen hinüber zum höchsten Punkt von Castelfeder und der hält für Anna sogar noch eine Überraschung parat! Im heute mickrigen Schatten der Mauerreste der Kapelle stehen aneinander gepfercht Schafe. Toll!
Die Tiere lassen sich, wenn auch etwas unwillig, streicheln. Alle drängen sich dicht an die Mauer. Wir können nicht verstehen, warum sie sich nicht hinunter in den Schatten einer mächtigen Eiche begeben. Kann es sein, dass Schafe nicht wissen, dass Bäume nicht nur durch Beschattung, sondern auch durch Transpiration Abkühlung verschaffen und so bzgl. des Kühleffekts einer Mauer meilenweit voraus sind? Sind Schaffe dumm? Wie um alles in der Welt kann es sein, dass Schafe sowas nicht gelernt haben?
Mein Blick fällt hinunter auf die sich gemächlich Richtung Salurner Klause windende Etsch. Der Fluss fließt hier recht unspektakulär an Neumarkt vorbei zur Sprachgrenze hinunter. Er ist im Laufe der Jahre ordentlich begradigt worden. Bei Salurn entschwindet er unserem Blickwinkel. Eine interessante Bildkomposition ergibt sich mit den Kuchelen (Ringmauerreste mit 3 Fenstern) im Vordergrund und der Etsch in einem Fenster. Es ist das charakteristische Castelfeder Fotomotiv.
Richtung Westen sehen wir hinüber zu unserem Heimatdorf Tramin, das von diesem Blickpunkt von den senkrechten Felswänden des Mendelkammes visuell fast erdrückt wird. Von Nordwesten glänzt der Kalterer See zu uns herauf und erinnert uns, dass wir nach der Castelfeder-Runde gerne ins Wasser tauchen würden. Hinter dem See schaut Kaltern Dorf fast so aus, als ob es direkt am See gelegen wäre. Somit bietet der Felshügel Castelfeder nicht nur landschaftlich ein mystisch romantisches Bild, wie ein Arkadien Tirols, sondern auch Ausblick technisch recht interessante, weil ungewohnte, Einblicke in die Umgebung, die von der Salurner Klause bis ins Überetsch zum Kalterer See und Kaltern reichen.
Anna entdeckt die Felsrutsche. Die sogenannte Fruchtbarkeitsrutsche soll nach heidnischem Volksglauben Kinderwünsche erfüllen. Anna ist das egal, Hauptsache rutschen! Und die Rutsche – wenngleich recht kurz und aus Porphyr – funktioniert. Zumindest rutsch-technisch! Die durch tausende Rutschungen glatt polierte Felsbahn ist für Hosenböden aller Art perfekt rutschig.
Nach so viel Rutschspaß, der selbstverständlich nur einzig und allein dem guten Zweck, die Rutsche immer schön geschmeidig zu erhalten dienen sollte, brechen wir endlich auf.
Römerstraße, Kuhrast
Wir steigen über die Ostseite zum Wurmsee hinunter, dann über einen Saumpfad, der als Römerstraße markiert ist, bis zu einer querenden Schotterstraße ab.
Ab hier folgen wir nach rechts dem Wegweiser „Auer Nr. 6“ und kommen so, mit Blick auf Tramin, zur sogenannten Kuhrast. Die Flurbezeichnung passt wie die Faust aufs Auge. Im Schatten eines Unterstandes rasten tatsächlich Kühe.
Die Wiederkäuer schauen uns recht gelangweilt entgegen.
Nun müssen wir 50 m zurück, der Wegweiser Nr. 6 führt uns vor der Kuhrast in die Wiesen Richtung Talboden hinunter. Der Wegweiser gibt die Richtung vor, anschließend müssen wir uns an rotweißen Markierungen auf Baumstämmen orientieren, denn der Steig ist auf dem Wiesenboden schlecht auszumachen.
Die Nr. 6 bringt uns zuerst zu einem aufgelassenen Baumaufzucht Garten, dann weiter bis zu einer Schranke. Hier biegen wir scharf nach rechts und wandern über einen Fußweg hinunter zum Beginn des beliebten Radweges Alte Fleimstaler Bahntrasse.
Kneippen am Rundweg Forchwald
Nach wenigen Meter entlang der Staatsstraße biegen wir rechts in den Rundweg Forchwald ein. Ein wunderbares, zu Castelfeder komplett in Kontrast stehendes, Wegstück beginnt. Wir wandern entlang des gemächlich dahinfließenden Schwarzenbaches durch saftig grünen, angenehm kühlen, Laubwald.
Sieht ein Kind ein seichtes Wasser mit Kiesel- und Sandbänken, was passiert dann? Es springt aus den Schuhen und hüpft ins Wasser!
Der besten Ehefrau von allen hat auf eine Schwarzenbach Kneipp Tour keine Lust. So bleibt ihr nichts anderes übrig als sich auf der nächsten Sitzbank auszustrecken und ein Nickerchen zu halten. Derweil vergnügt Anna sich im kühlen, seichten, nur Knöchel tiefen Wasserlauf. Ich schaue ihr zuerst ein zu, doch bald steckt mich die Lust auf Wassertreten an und so liegen nun auch meine Schuhe am Ufer.
Die Flusssteine sind halbwegs rund geschliffen, so können wir uns vorsichtig mit den Sohlen tastend durch das Flussbett wagen. Mittendrin liegt eine Lehmbank. Die lässt sich herrlich weich, wenn auch recht glitschig, durchschreiten. Der Fühleffekt zwischen dem steinigen Flussbett und der Lehmbank könnte unterschiedlicher nicht sein. Naturkneippen par excellence!
Anna freut sich über einen Flussstein in Herzform. Wir halten uns ganze 40 Minuten im Flussbett auf. Ich erzähle Anna von früher, als bei uns Zuhause der Höllentalbach noch nicht Wildbach verbaut war. Damals hat es über unserem Haus noch nicht die Brücke gegeben. Damals hatte der Bach kein tiefes Bett, er war flach wie hier. Mit dem Auto musste man durch das Wasser des Baches fahren. Als Kinder haben wir unzählige Stunden im Bachbett verbracht. Das waren Zeiten! Meine Erinnerungen beginnen aufzublühen.
Und weil dem so ist und weil ich gerade barfuß bin, erinnere ich mich wie wir als Kinder mehr oder weniger den ganzen Sommer barfuß unterwegs waren. Wir sind sogar barfuß bis zum Gummerer Hof hinaufgelaufen. Dabei gingen wir nicht nur auf Asphalt. Schotter hat uns nichts ausgemacht, nur die frisch gemähte Wiese vom Steinhof die war immer lästig. Doch die Abkürzung über die Wiese war uns wichtiger als die schmerzenden Piekser auf den Fußsohlen. Die „Deitschen“ die uns begegnet sind dachten alle wir wären arme Kinder, deren Eltern sich keine Schuhe leisten konnten. Doch wir waren einfach nur echte Bauernkinder. Ja, Anna so war das damals!
„Obr borfuaß gean konn i schun a!“, Anna will sich gerne unter Beweis stellen.
So kommt es, dass drei Menschlein durch den Forchwald hatschen. Die eine noch schläfrig von einem Nickerchen, schlürfenden Schrittes, die anderen beiden, barfuß, tastenden, immer wieder kurz hinkenden, Schrittes und mit zusammengebissenen Zähnen. Zum Glück ist die Erholungszone und der Spielplatz Schwarzenbach nicht mehr weit.
GPS-Track Castelfeder Rundwanderung mit Wassertreten im Schwarzenbach
GPX-Track , Position: -km, -m GPX
Eckdaten der Tour
Castelfeder Runde und Wassertreten im Forchwald
- Dauer: 1:30 h
- Distanz: 4,7 km
- Bergauf: 180 m
- Bergab: 185 m
Um welche Art von Tour handelt es sich?
In welcher Region befindet sich die Tour?
Um welche Bergkategorie handelt es sich? Auf welcher Höhe liegt die Tour?
Wie lang ist die Strecke?
Wie streng ist der Aufstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie anspruchsvoll ist der Abstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie viel Zeit werde ich für die Tour brauchen?
Dieser Wert kann individuell stark variieren. Siehe Gehzeitrechner.
Wie viele Kalorien werden bei der Tour verbrannt?
Es ist zu beachten, dass die Berechnung des Kalorienverbrauchs auf Faustformeln und allerlei Annahmen beruht, z.B. Gewicht=75 kg, Kalorienverbrauchsvorgaben für Aufstieg, Abstieg, flach usw. und daher nur eine Schätzung und keine exakte Angabe liefert. Wenn du deinen Kalorienverbrauch selbst berechnen möchtest, dann schau dir diesen Kalorienrechner an.
Gibt es interessante Wegpunkte?
Ja, es gibt interessante Wegpunkte. Hier ist eine Liste:
- byzantinische RingmauerGPS: 46.338393, 11.290307
- CastelfederGPS: 46.337414, 11.289074Castelfeder - Castelvetere (Alm, Matten)
- KuhrastGPS: 46.337224, 11.286228
- Romanische Burg - Castello romanico (Burg, Schloss)GPS: 46.338487, 11.290040
- Schwarzenbach - Rio NeroGPS: 46.339724, 11.287533
- Schwarzsee (Feuchtgebiet)GPS: 46.339839, 11.293559
- Wunsee (Feuchtgebiet)GPS: 46.338143, 11.291027