Eine Wanderung zum “Parlament der Murmeltiere“ im Fanes Naturpark, dem geheimnisvolle Versammlungsort, an dem sich die Murmeltiere treffen, das würde Anna freuen. Für uns Traminer ist die Anfahrt ins Gadertal leider etwas lang. Außerdem waren wir Eltern schon mal vor Annas Zeit dort. Das ist der Grund, dass vor allem die beste Mami von allen ihr Versprechen Anna einmal dort hinzubringen, immer wieder aufgeschoben hat. Da auch ich gerne nochmals hin möchte und heute unser 14ten Hochzeitstag ist, wird das Versprechen eingelöst.

Im Gegensatz zu vor 11 Jahren wählen wir den südlichen Zugang zum Fanestal. Über das Grödner Joch sind wir ins Gadertal ab und durch St. Kassian hindurch gefahren. 3 km nach St. Kassian sind wir  links abgebogen und haben den großen Parkplatz vor der Capanna Alpina (1.729 m ü. d. M.) in der Talmulde des Plan dal’Ega erreicht.

Hier endet eine der bekanntesten und beliebtesten Skipisten der Alpen: die Armentarola Piste. Sie beginnt auf dem Lagzuoi und führt hier zur Berghütte Capanna Alpina. Aber wir sind heute zum Wandern hier!

Start vor der Capanna Alpina

Zuerst müssen wir etwas mehr als 300 Höhenmeter auf dem Steig Nr. 11 – Etappe 7 des Dolomites UNESCO Geotrails – zum Col de Locia hinaufsteigen. Über den Sarè Bach und dann über mit Holzbalken fabrizierte Stufen, zum Schluss sehr steil, mit einem Geländer als Sicherung schaffen wir den Aufstieg nach fast 2 km Marsch.

Am Col de Locia dürfen wir uns auf einer Bank kurz ausruhen und den Ausblick, vor allem auf den Sellastock, genießen.

Nun beginnt der entspannte Teil der traumhaften Fanes-Wanderung. Ohne größere Höhenunterschiede dürfen wir mitten durch die Fanesgruppe wandern. Eine Mischung aus imposanten Dolomitenfelsformationen, grünen Rasenflächen und gelben Almwiesen erwartet uns – ein traumhaftes Fleckchen in der Südtiroler Bergwelt.

Zur Großfanesalm

An den Hängen des Piz Ciampestrin tummeln sich Gämse auf den letzten Schneefeldern. Derweil hat eine junge Kreuzotter Glück, dass sie nicht Bekanntschaft mit dem Schuh der besten Ehefrau von allen gemacht hat. Oder sollte ich das umgekehrt formulieren?

Am Jua del Ega passieren wir die Wasserscheide und gelangen in den Einzugsbereich des Wildbachs Rü de Fanes.

Von der Großfanesalm fließt ein Nebenarm des Fanesbachs in östlicher Richtung und bildet dabei eine traumhafte Feuchtkandschaft.

Ab der Groß Faneshütte geht es für uns leicht bergauf, vorbei am Limosee, bis zum höchsten Punkt dieser Bergwanderung, dem Limojoch.

Anna beginnt vorauszulaufen. Sie hat es eilig. Schließlich sind wir hier, um das „Parlament der Murmeltiere“ zu finden. Vom Limojoch aus blickt sie hinunter auf die von den Gipfeln Piz Lavarella,  Heiligkreuzkofel, Zehnerspitze, Neunerspitze und Antonispitze eingekesselte Almlandschaft Kleinfanes. Sie sieht die Faneshütte, die Lavarellahütte und den Grünsee, aber kein „Parlament“!

„Anna, wie hast du dir ein Parlament vorgestellt?“, frage ich.

„Viele Sitze und vorne einen einzelnen Sitz, wo der Chef sitzt“, antwortet Anna.

„Schau, Anna, siehst du die Felsformationen da unten?“, frage ich.

„Ja“, antwortet sie.

„Die sehen aus wie Treppen. Dort drüben sind sie sogar leicht halbrund, wie ein natürliches Amphitheater. Das ist das Parlament der Murmeltiere“, erkläre ich.

„AH, toll!“, freut sich Anna.

Die beste Ehefrau von allen und ich sind erleichtert. Wir hatten schon befürchtet, dass Anna enttäuscht sein würde. Kinder assoziieren mit solchen fantasievollen Bezeichnungen wie „Parlament der Murmeltiere“ eher echte Versammlungsplätze oder Treffpunkte, an denen Tiere tatsächlich zusammenkommen.

Ihre Reaktion lässt uns kurz vermuten, dass sie mit den stufigen Felsformationen zufrieden ist. Doch bald merken wir, dass es ihr nicht so sehr um das Parlament, sondern vielmehr um die Murmeltiere selbst geht und sie sich total sicher ist, dass sie viele kleine Nager sehen wird.

„Die Murmeltiere treffen sich hier aber nicht jeden Tag, sondern nur einmal im Frühjahr, um Entscheidungen und Regeln für ihr Zusammenleben festzulegen. So die Sage“, erkläre ich ihr vorbeugend.

Anna lässt sich davon nicht beirren. Sie ist sicher, dass sie pfeiffende Alpentiere zu Gesicht bekommen wird.

Auf der Kleinfanes Alm

Wir lassen uns zwischen dem Grünsee und der Lavarella Hütte nieder. Wir haben nur 2,5 Stunden gebraucht, also haben wir genügend Zeit für eine ausgedehnte Mittagspause. Die beste Ehefrau von allen macht ein Mittagsschläfchen.

Anna möchte so schnell wie möglich auf Murmeltieresuche gehen und die Felsstufen des „Parlaments“ erkunden. Sie hat Freude daran, die Stufen hinaufzukraxeln und nach pelzigen Tieren Ausschau zu halten.

Plötzlich schreit sie: „Aua, aua, das tut weh!“ und deutet auf ihren Rücken.

„Da ist nichts!“, sage ich.

„Ja, da!“, antwortet Anna und versucht die Stelle am Rücken zu ertasten.

Da ich auf ihrem Wander-Shirt nichts sehe, schaue ich darunter nach. Ups, da hat sich eine Biene verirrt, ist wahrscheinlich nervös geworden und hat zugestochen.

Anna hat nun keine Lust mehr auf Murmeltiere. Sie jammert vor Schmerzen. Ich schlage vor, schnell zur Lavarella Hütte abzusteigen, dort ein kühles Mineralwasser zu bestellen und die Flasche aufzulegen. Anna ist einverstanden.

So komme ich zu einem kühlen Bierchen und Anna zu einer kühlen Auflage gegen den Bienenstich. Perfekt!

Insgesamt verbringen wir 3 Stunden auf der Klein Fanesalm. Natürlich erkunden wir auch den idyllischen Grünsee (Lé Vert), bewundern die Kunstinstallation, die Wasserdampf versprüht, am westlichen Rand des Sees und erfreuen uns an der malerischen Berg-Alm-Wasserlandschaft.

Zurück zum Plan dal’Ega/ Capanna Alpina

Der Rückweg erfolgt über den gleichen Weg. Eigentlich sollten wir schneller sein, aber es kommt ganz anders.

Auf dem Aufstieg habe ich nicht viel gemerkt, aber nun, auf dem flachen Abschnitt und vor allem ab dem Col de Locia bergab, spüre ich plötzlich starke Schmerzen in meinem linken Knie, das in den letzten 10 Tagen bereits leichte Probleme bereitet hat. Anna muss den Rucksack der besten Ehefrau von allen, und die beste Ehefrau von allen meinen übernehmen. Zum Glück habe ich Wanderstöcke dabei. Damit humple ich nun den Berg hinunter. So dauert es unverhältnis mäßig lang bis wir bei der Capanna Alpina im schönen Plan dal’Ega ankommen..

Morgen werde ich erfragen: der Innenmeniskus ist angerissen und zusätzlich hat sich eine Entzündung im Knie eingeschlichen.

Hmm… war es das wert? Natürlich!

Diese Fanes-Bergwanderung ist eine der wunderbarsten, Wandertouren, die wir je gemacht haben, und wahrscheinlich ist der Innenmeniskus schon früher beschädigt worden 😉

Wanderkarte mit GPS Track der Fanes-Wanderung

Fotos und Impressionen Fanesgruppe und Parlament der Murmeltiere

 

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