Taufers im Südtiroler Teil des Münstertals, ein kleines verschlafenes Bergdorf nahe der Schweizer Grenze auf 1.240 m ü. d. M. Ob dieser Startpunkt für die heutige Wanderung ideal ist, müssen wir noch sehen, denn es hat trotz Frühling bis in tiefe Lagen herunter geschneit. Geplant wäre von der Kirche St. Martin in Taufers im Münstertal über den Plurwaalweg bis zur Calvenbrücke und durch den Bruggenwald bis nach Glurns zu wandern.
Ich bin heute mit der Schwester und dem 5-jährigen Laurin unterwegs; die beste Ehefrau von allen musste zu Hause bleiben, arbeiten.
Die Fahrt in den Vinschgau ist, was den Zeitaufwand betrifft, nicht ganz ohne. Auf der MeBo vor Meran strahlt uns die weiß leuchtende Texelgruppe entgegen. Der Schnee reicht bis zu den Muthöfen herunter.
Schwester-Herz schafft es sogar, durch die ziemlich schmutzige Windschutzscheibe des Autos hindurch zu fotografieren, ohne allzu viele Schmutzflecken mit auf den digitalen Speicher zu bannen.
Vorbei bei der Brauerei Forst fahren wir über die Orte Töll, Rabland, Naturns, Laas und Schlanders bis in den Obervinschgau hinauf.
Gewaltig; hier blühen sogar noch die Apfelbäume! Zu unserer Rechten die Churburg, wo der Laurin schon mal einen echten Harnisch mit Helm tragen durfte.
Nun müssen wir links abbiegen, um zum kleinen Städtchen Glurns, welches mit einer vollständig erhaltenen Stadtmauer aufwarten kann, zu gelangen. Dabei ist es nicht nur für den Laurin ein besonderes Highlight, dass wir durch das nur eine Spur breite, mit einem mächtigen Eisentor versehene Stadttor hindurch fahren dürfen. Irgendwie hat man dabei das Gefühl, dass man im falschen Gefährt sitzt, ein Fuhrwerk mit Rössern wäre passender.
Am Glurnser Hauptplatz schaffen wir es nicht, einfach so vorbei zu fahren. Beim Gasthof zum grünen Baum nehmen wir einen Kaffe ein, bevor wir das Ministädtchen Glurns durch das Südtor wieder verlassen, allerdings nicht, bevor wir durch ein Hinweisschild auf die Bilderausstellung des Malers und Künstlers Paul Flora (berühmter Sohn von Glurns; Zeichner, Karikaturist, Grafike und Illustrator) hingewiesen wurden.
Taufers im Münstertal
Bis nach Taufers im Münstertal sind es nun nur noch wenige Autominuten.
Das verschlafene Dörfchen kurz vor der Schweizer Grenze liegt am rechten Talhang, eingebettet in saftig grüne Wiesen.
Wir wandern Tal auswärts durch das Dorf hindurch in Richtung Kirche St. Blasius. Ein vorbildlich restauriertes – oder besser hergerichtetes – Bauernhaus mit Jalousien aus Holzbrettern und runden Gucklöchern sticht ins Auge.
Am Dorfrand geht es leicht aufwärts. Der Laurin entdeckt ein Eichhörnchen, das, von Baum zu Baum springend, leider nicht lang genug still halten will, um fotografiert zu werden
Unter der Kirche St. Blasius beginnt der Plurwaalweg, welcher uns hinaus zur Calven- Brücke führen soll.
Über uns die Ruine von Reichenberg und noch weiter darüber die Rotburg, links davon ein Wiesenhang, der heute – für diese Jahreszeit eher ungewöhnlich – mit Schnee bedeckt ist. Wir haben Glück, dass der Plur-Waalweg Schneefrei ist.
Der Wanderweg entpuppt sich als extrem abwechslungsreicher Pfad. Zuerst über Wiesen, den Tellabach querend, dann durch vereinzelte Bäume hindurch, später einen kargen steinigen Hang querend, Rückblicke auf Taufers, Talblick auf die Fraktion Rifair und Vorausblick auf die weißen Berggipfel der Ötztaler Alpen wandern wir in Richtung Glurns. Bei Turnauna queren wir den Naumaierbach und wandern durch Oberkalven und den Calvenwald, beides Lärchenwälder, leicht absteigend bis hinunter zur St. Johann Straße, der Hauptstraße, die durch das Münstertal führt. Ungewöhnlich viele Jägerstände links und rechts des Weges fallen nicht nur dem Laurin auf.
Die Straße muss überquert werden, sodass wir dem Rambach (oder auch Rombach genannt) folgend durch Unterröfen bis zur Calvenbrücke hinunter wandern können.
Die Calvenbrücke war im Schwabenkrieg (1499) Schauplatz einer der blutigsten Schlachten der Geschichte (Schlacht an der Calven).
Anlass für den Schwabenkrieg zwischen den Habsburgern unter Maximilian I. und den Schweizer Eidgenossen war die landesrechtliche Situation in Graubünden. Verwalter dieser habsburgisch dominierten Region waren die Bischöfe von Chur, genauer Bischof Heinrich von Chur, der allerdings durch die Entstehung zweier Bündnisse (Gotteshausbund Chur und Zehngerichtbund Graubünden) in einen Zwiespalt geriet. Um seine Interessen zu wahren, rief der Gotteshausbund die Eidgenossen zu Hilfe, Tirols Statthalter hingegen holte sich Unterstützung durch den Schwäbischen Bund. Noch während der Friedensverhandlungen zwischen Bischof Heinrich und Maximilian I. kam es zu den ersten kriegerischen Handlungen und schließlich an der Letzi-Brück im Münstertal zu einer Schlacht, die als Schlacht an der Calven in die Geschichtsbücher einging. Hier an der Letzi-Brücke besiegten die Bündner mit Hilfe der Eidgenossen das von Maximilian bei Glurns stationierte habsburgische Heer. Dieser Sieg der Eidgenossen setzte ein wichtiges Zeichen für den weiteren Verlauf des Schwabenkrieges, der für Kaiser Maximilian zu einer schweren Prüfung wurde und schließlich – im September 1499 – mit dem Frieden von Basel endete.
Der Hunger klopft an. Zum Glück hat uns die beste Ehefrau von allen Brote und, was vor allem dem Laurin sehr wichtig ist, Kekse eingepackt.
So gestärkt wandern wir zum Mitterwaal hinauf, dem wir bis nach Glurns folgen wollen. Aus dem „Toam“ (=Damm) des Waalweges spazieren wir fast flach durch den Bruggerwald hindurch. Der Vinschgau ist ziemlich bekannt für seine kargen, mit wenig Niederschlag gesegneten Böden und für seine heißen Sommer und kalten Winter. Obwohl die Weißtanne frische und tiefgründige Böden mit warmen Hanglagen und milden Wintern bevorzugt, haben sich hier im Bruggerwald zahlreiche besondere Weißtannen angesiedelt. Als Relikttannen oder Trockentannen werden diese auch auf Rohböden keimenden und wachsenden Tannen bezeichnet. Dendrochronologische Untersuchungen haben sogar ergeben, dass hier im Bruggenwald die älteste lebende Weißtanne (540 Jahre) beheimatet ist.
Der Ausblick hinauf in den Obervinschgau bleibt uns bis jetzt noch verwehrt. Nur das kleine Dörfchen Laatsch schaut ab und zu zwischen den Ästen hindurch.
Ein Wegweiser, der sage und schreibe inmitten des Pfades steht, weist bergwärts. Die Aufschrift Glurns vermittelt unmissverständlich, dass wir nun zu steigen haben. Wahrscheinlich ist der leider kein Wasser führende Waalweg irgendwo unterbrochen, darum die Umleitung.
Die „Umleitung“ bringt zusätzliche 120 Höhenmeter mit sich. Wir müssen einen Felshang im steilen Gelände umwandern, bevor wir wieder runter zum Waalweg kommen.
Endlich wird der Blick freier. Der Obervinschgau mit Laatsch, Burgeis, Mals und vor allem dem mittelalterlich anmutenden Städtchen Glurns präsentiert sich unter blauem Himmel, eingebettet in grüne Wiesen, umgeben von noch etwas grau bewaldeten Hängen und weißen Berggipfeln.
Angesichts dieser fabelhaften Kulisse frage ich mich ernsthaft, warum der Obervinschgau touristisch etwas hinterher hinkt!
Die Stadtmauern von Glurns werden mit jedem Schritt größer. Das malerische Städtchen mit seinen vier Stadttoren und der sich außerhalb der Stadtmauern befindlichen Kirche strahlt – der Hausdächer wegen – in sanften Orangetönen zu uns herauf.
Das Landschaftsbild rund um die Stadt Glurns ist geprägt von Wiesen, in die vereinzelt Obstplantagen eingebettet sind.
Der Laurin fragt schon zum 5ten Mal, wie weit es noch bis zum Auto ist. Zum Glück versteht er nicht, dass wir den ganzen Weg noch zurück müssen.
Ich überlege, ob wir bis nach Glurns hinunter gehen sollen und mit dem Bus bis nach Taufers im Münstertal zurück fahren sollen, anstatt wie geplant zu Fuß zurück zu wandern. Ein Anruf bei der SAD bestätigt aber, was die Website www.sii.bz.it ausgespuckt hat: Heute fährt kein Bus von Glurns nach Taufers. Dann werden wir wohl doch mit Schusters Rappen vorlieb nehmen müssen.
Glurns und St. Martin
Vor uns ein Kirchlein, das wiederum St. Martin geweiht ist. Hier machen wir kurz Rast.
Das Wetter ist optimal, eine gute Fernsicht. Der Ausblick Richtung Norden reicht fast bis zum Reschenpass hinauf. Ich kann sogar das Windrad an der Reschenstraße sehen.
Ganz links liegt Laatsch, dahinter sind Schleis und Burgeis zu sehen, rechts davon Mals, direkt vor uns Glurns, hinter Glurns auf dem Tartscher Bühel das Kirchlein St. Veit, rechts davon Schluderns mit der Churburg.
Der Tartscher Bühel ist ein kahler, felsiger, von Gletschern geformter Rundbuckel aus Glimmerschiefer und gleicht ein klein wenig dem Hügel Castelfeder aus unserer Gegend.
Über den Tartscher Bichl wird es sicherlich viele Sagen und Mythen geben, das behaupte ich ganz einfach mal so aufgrund seines Aussehens und seiner Lage.
Während ich über den Tartscher Bühel sinniere, darf der Laurin mit seinem Schweizer Kindermesser (ja, genau so was gibt es) einen Ast entrinden. Natürlich nur unter strenger Aufsicht seiner Mutter, aber trotzdem vergisst er über dieser Beschäftigung die Mühen des Wanderns.
Rückweg
Nun heißt es, den ganzen langen Weg wieder zurück wandern. Viele Höhenmeter sind dabei nicht zu meistern, aber immerhin müssen wir nochmal 10 km hinter uns bringen.
Über den Forstweg mit der Nummer 23, den Arzweg, parallel zum Hinweg, aber circa 200 Höhenmeter höher gelegen, wandern wir zurück Richtung Münstertal.
Der Forstweg geht in einen Waldpfad über. Die weißen Rinden der Bäume deuten auf Weißtannen hin. Wir befinden uns wieder im Bruggerwald.
Der Waldpfad bringt uns wieder auf den Forstweg, leider genau bei einer Kehre. Rechts leicht absteigend oder links leicht aufsteigend? Wir entscheiden uns für links, ein Fehler, wie sich nach einigen Minuten herausstellt. Glücklicherweise scheint genau vor uns ein Rehpfad auf den unteren Wegverlauf runter zu kommen.
Der Rehpfad ist wahrscheinlich mal ein regulärer Steig gewesen, da recht gut ausgetreten. Plötzlich stehen wir aber vor einem Zaun. Ein Gehege, wie man hier im Bruggerwald viele antrifft. Diese Anlagen dienen der Aufzucht der Weißtannen, indem die Jungbäume von Wildverbiss geschützt werden. Wir steigen entlang des Zaunes durch fast Mannshohes Gestrüpp, welches dem Laurin ab und zu eine Watschen verpasst, bis zum Forstweg ab. Geschafft, wieder auf Kurs.
Es dauert nicht lang, da stoßen wir auf den Waalweg des Hinweges, dem Mitterwaal. Im Gegensatz zum Hinweg wandern wir nun auf der linken Talseite entlang des Mitterwaales unserem Ausgangspunkt entgegen.
Über 11 Stationen geht es nun mit einem langsam „stuffn“ Laurin ins Münstertal hinein.
Ein schöner, entlang des Waaldammes verlaufender Weg, der kurz vor Rifair (Zone Abazass) in einen Schotterweg, der den Rambach begleitet, mündet.
Ich beschließe, voraus zu gehen und das Auto zu holen, sodass der Laurin und seine Mutter in Rifair warten können.
Goldrichtige Entscheidung, denn die kleine Feldstraße „Strades“, welche inmitten von Wiesen von Rifair nach Taufers führt, ist recht langweilig und genau das ist das Schlimmste für einen 5-jährigen Bub, der nur durch ein Pommes Frittes Versprechen zum weiter gehen zu bewegen war.
Endlich, um 17.50, komme ich in Taufers an und kann die beiden Wartenden abholen.
Ein toller, sehr abwechslungsreicher Wandertag – wobei sich der Variantenreichtum auf den Weg und dessen Umgebung bezieht, weniger auf Höhenmeter und Schwierigkeiten, welche beide kein Problem darstellen – geht damit seinem Ende zu.
P.S. Da kein Würstelstandl am Wegesrand offen hatte, mussten wir auf Anraten vom Laurin in ein Gasthaus einkehren. Was liegt da näher als ein Besuch beim Südtiroler Bierhersteller Nummer eins, der Forst in der gleichnamigen Ortschaft bei Algund.
In Gesellschaft fast ausschließlich italienischer Familien darf der Laurin seine schwer verdienten Pommes Frittes mit Ketschup verdrücken. Schwer verdient, weil seine Mutter am nächsten Tag erkennen muss, dass sie a) ihrem Jungen Bergschuhe in einer Nummer zu klein angezogen hat und dass der Junge b) die Windpocken mitgetragen hat. Nicht schlecht also: 5 Jahre alt, fast 20 km gehandikapt mit zu kleinen Schuhen und Windpocken.
Bravo Laurin!
GPS-Daten der Wanderung Taufers-Glurns
GPX-Track , Position: -km, -m GPX
Eckdaten der Tour
Von Taufers im Münstertal nach Glurns
- Dauer: 6:10 h
- Distanz: 19,8 km
- Bergauf: 638 m
- Bergab: 684 m
Um welche Art von Tour handelt es sich?
In welcher Region befindet sich die Tour?
Um welche Bergkategorie handelt es sich? Auf welcher Höhe liegt die Tour?
Wie lang ist die Strecke?
Wie streng ist der Aufstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie anspruchsvoll ist der Abstieg (Länge, Höhenmeter, Steigung)?
Wie viel Zeit werde ich für die Tour brauchen?
Dieser Wert kann individuell stark variieren. Siehe Gehzeitrechner.
Wie viele Kalorien werden bei der Tour verbrannt?
Es ist zu beachten, dass die Berechnung des Kalorienverbrauchs auf Faustformeln und allerlei Annahmen beruht, z.B. Gewicht=75 kg, Kalorienverbrauchsvorgaben für Aufstieg, Abstieg, flach usw. und daher nur eine Schätzung und keine exakte Angabe liefert. Wenn du deinen Kalorienverbrauch selbst berechnen möchtest, dann schau dir diesen Kalorienrechner an.
Gibt es interessante Wegpunkte?
Ja, es gibt interessante Wegpunkte. Hier ist eine Liste:
- Taufers im MünstertalHöhe: 1.290 m ü. d. M.GPS: 46.646026, 10.463693Taufers Im Muenstertal
- St. MartinHöhe: 1.064 m ü. d. M.GPS: 46.661246, 10.54600325-APR-12 14:09:28
- StartHöhe: 1.254 m ü. d. M.GPS: 46.645789, 10.46319725-APR-12 10:23:33
Hallo Dieter
eine schöne Wanderung habt ihr unternommen, diesen Waalweg kenne ich noch gar nicht. Wir waren am selben Tag in Schluderns und sind den Bergwaal und Leitenwaal gewandert. Kann ich auch empfehlen.
LG Siglinde
http://www.vonollsabissl.blogspot.it/2012/04/waalwegrundwanderung-in-schluderns.html
Hallo Siglinde,
dann haben wir direkt zu euch rüber gesehen 😉
Der Plurwaal (von Taufers hinaus zum Eingang des Münstertals nach Laatsch) und auch der Mitterwaal (von Laatsch nach Glurns) führen leider beide kein Wasser. Ich denke sie sind nicht in Betrieb. Der Mitterwaal ist an einer Stelle unterbrochen, man muss diese Stelle umwandern. Darum muss man eigentlich von EX-Waal sprechen, denn das Wassererlebnis fehlt. Der Plurwaal ist aber landschaftlich sehr schön und abwechslungsreich.
LG
Dietmar
Ich kenne das Münstertal von meinen Mountainbike Touren über die Alpen. Die Gegend ist absolut reizvoll. Die Fotos sind dir echt gut gelungen und wecken bei mir Erinnerungen an die damalige Tour.